Langzeiterkrankung

Langzeiterkrankung

Bei einer kurzweiligen Erkältung stellen sich für den Arbeitnehmer keine finanziellen Schwierigkeiten ein, da die Entgeltfortzahlung für sechs Wochen weiter erfolgt. Probleme entstehen bei Langzeiterkrankten. Arbeitnehmer, die über einen längeren Zeitraum hintereinander arbeitsunfähig krank geschrieben sind, werden als "langzeiterkrankt" bezeichnet. Ab dem 43. Krankheitstag bekommen gesetzlich Krankenversicherte Krankengeld von ihrer Krankenkasse. Es beträgt 70 % des Bruttoeinkommens (maximal 90 % des Nettoeinkommens) und wird maximal 78 Wochen innerhalb von drei Jahren wegen derselben Krankheit bezahlt. Wer länger krank ist, hat keine Absicherung mehr. Wir empfehlen, dass Sie sich unbedingt bei der Rentenversicherung, der Agentur für Arbeit und eventuell bei der Berufsunfähigkeitsversicherung melden, bevor das Krankengeld ausläuft.


Fristgemäße krankheitsbedingte Kündigung 

Wer allerdings schwerer und länger krank ist, hat nicht nur finanzielle Einbußen, sondern manchmal auch eine krankheitsbedingte Kündigung durch den Arbeitgeber zu befürchten. Das Kündigungsschutzgesetz schützt den Arbeitnehmer entgegen einer weitverbreiteten Ansicht in der Bevölkerung nicht vor einer krankheitsbedingten Kündigung. Die Krankheit des Arbeitnehmers kann sogar unter bestimmten Voraussetzungen der Grund für eine Kündigung durch den Arbeitgeber sein. Eine Vorwarnung in Form einer Abmahnung ist auch nicht erforderlich, da der Arbeitnehmer – anders als bei der verhaltensbedingten Kündigung – keinen Einfluss auf seine Erkrankung bzw. Genesung hat. 

Eine Kündigung ist denkbar, wenn die Wiederherstellung der Gesundheit zum Zeitpunkt der Kündigung zwar nicht ausgeschlossen, aber der Arbeitgeber aufgrund einer bereits länger andauernder Krankheit nicht weiß, ob und wann mit einer Genesung zu rechnen ist.


Die Kündigung muss immer ultima ratio sein. Das bedeutet, gibt es ein milderes Mittel, verstößt die Kündigung gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Davon ist auszugehen, wenn der Arbeitgeber es vor Ausspruch der Kündigung unterlassen hat, ein betriebliches Eingliederungsmanagement (bEM) durchzuführen. Zum betrieblichen Eingliederungsmanagement ist der Arbeitgeber gemäß § 167 Abs. 2 Satz 1 SGB IX verpflichtet, wenn ein Arbeitnehmer innerhalb eines Jahres länger als sechs Wochen arbeitsunfähig ist. Der Zweck dieser Maßnahme ist es, zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden werden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt und der Arbeitsplatz erhalten werden kann. Wurde kein betriebliches Eingliederungsmanagement durchgeführt, geht die Rechtsprechung überwiegend davon aus, dass durch ein betriebliches Eingliederungsmanagement Einsatzmöglichkeiten für den Arbeitnehmer gefunden worden wären. Dies kann auch auf einem anderen Arbeitsplatz als bisher sein. Die Kündigung kann dann nur wirksam sein, wenn der Arbeitgeber das Gericht davon überzeugt, dass ein korrekt durchgeführtes betriebliches Eingliederungsmanagement nutzlos gewesen wäre. Dazu muss der Arbeitgeber „umfassend und detailliert vortragen, warum weder ein weiterer Einsatz auf dem bisherigen Arbeitsplatz, noch dessen leidensgerechte Anpassung oder Veränderung möglich gewesen seien und der Arbeitnehmer auch nicht auf einem anderen Arbeitsplatz bei geänderter Tätigkeit habe eingesetzt werden können, warum also ein bEM im keinem Fall dazu hätte beitragen können, neuerlichen Krankheitszeiten vorzubeugen und das Arbeitsverhältnis zu erhalten" (BAG, Urteil vom 20.11.2014, 2 AZR 755/13, S.14). Dieser Nachweis ist in der Praxis kaum zu führen. 


Ob die Kündigung wirksam ist, ist anhand einer Gesundheitsprognose zu bewerten. Ist ausweislich ärztliches Gutachten mit einer Genesung in den nächsten 24 Monaten nach Ausspruch der Kündigung nicht zu rechnen, liegt eine negative Gesundheitsprognose vor, die eine Kündigung rechtfertigt. In der Praxis stellt sich allerdings häufig das Problem, dass der Arzt die Genesung innerhalb eines so langen Zeitraums kaum definitiv ausschließen wird, ohne zugleich eine dauerhafte Arbeitsunfähigkeit zu diagnostizieren. 

Darüber hinaus muss eine Interessenabwägung vorgenommen werden.  Der Arbeitgeber muss eine erhebliche Beeinträchtigung betrieblicher Interessen darlegen. Er muss erläutern, dass weitere Überbrückungsmaßnahmen nicht mehr möglich sind und daher das Beendigungsinteresse des Arbeitgebers überwiegt. Die Arbeitnehmerinteressen sind auch einzubeziehen. Hierbei spielen u.a. das Alter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit, die Unterhaltsverpflichtungen, die Chancen auf dem Arbeitsmarkt eine Rolle.


Fristlose krankheitsbedingte Kündigung 

Der Regelfall ist die ordentliche Kündigung. In Ausnahmefällen kann der Arbeitgeber aber auch eine außerordentliche Kündigung aus krankheitsbedingten Gründen aussprechen, wenn der Arbeitnehmer ordentlich unkündbar ist und wenn dem Arbeitgeber die dauerhafte Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses infolge der Krankheit des Arbeitnehmers nicht zu zumuten ist, weil er gar keine nennenswerte Gegenleistung für den Lohn erhält und das Arbeitsverhältnis daher "sinnentleert" ist.  Allerdings gilt die Besonderheit, dass bei einer krankheitsbedingten außerordentlichen Kündigung der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer eine Auslauffrist zugestehen muss, die solange wie die Kündigungsfrist sein muss, die der Arbeitgeber beachten müsste, wenn der Arbeitnehmer ordentlich kündbar wäre.


Gerne beraten wir Sie, sollte Sie eine krankheitsbedingte Kündigung aussprechen wollen oder Sie eine solche Kündigung erhalten haben. Bitte beachten Sie, dass nur innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung Kündigungsschutzklage eingereicht werden kann. 

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